Fragen und Antworten

China ist ein Kontinent. Welche regionalen Unterschiede sind in der wirtschaftlichen Entwicklung zu beobachten?

Aufgrund seiner geografischen Größe ist China durch kulturelle Unterschiede und sozioökonomische Disparitäten geprägt. Chinas Osten ist dank der fru?hen außenwirtschaftlichen Öffnung und der dadurch entstandenen Infrastruktur deutlich weiter entwickelt als Zentral- und Westchina. Die Orientierung in Richtung der Ku?stenstädte nimmt nicht ab, trotzdem werden auch die Provinzhauptstädte und regionalen Zentren im Landesinneren zunehmend als Standorte und Absatzmärkte interessant. Mit der vor einigen Jahren gestarteten „Go-West“-Kampagne versucht die chinesische Regierung, durch lnfrastrukturausbau und Investitionsanreize die Entwicklung Westchinas zu beschleunigen. Ziele sind eine ausgeglichene soziale Entwicklung des Landes und eine Verbesserung des allgemeinen Lebensstandards.

Welche Schwerpunkte der regionalen Entwicklung werden im aktuellen Fünfjahresprogramm gesetzt?

Das 13. Fünfjahresprogramm für wirtschaftliche Entwicklung bis 2020 zielt auf eine Verbesserung der Infrastruktur in den westlichen Provinzen, auf die Modernisierung der Industriezonen im Nordosten und die Förderung des Wachstums in den Zentralprovinzen. Des Weiteren stehen drei große regionale Initiativen im Mittelpunkt: Die Wiederbelebung der Seidenstraße und die damit verbundene wirtschaftliche Entwicklung, die Integration von Peking, Tianjin und der beide Metropolen umgebenden Provinz Hebei sowie der Ausbau des Wirtschaftsgu?rtels am Jangtse, der sich u?ber elf Provinzen mit 40 Prozent der chinesischen Bevölkerung erstreckt.

Welche regionalen Alternativen zu den traditionellen „deutschen" Standorten bieten sich in den kommenden Jahren?

Die meisten deutschen Unternehmen haben sich im JangtSedelta rund um Shanghai, im Perlflussdelta in der Region Hongkong/Kanton und in der Bohai-Region um Peking~Tia~jin angesiedelt. Diese Regionen bleiben auch weiterhin. fur deutsche Investoren attraktive Standorte. Mit der Entwicklung der zentral- und westchinesischen Regionen als Absatzmarkt folgen deutsche Unternehmen jetzt zunehmend

der „Go-West“-Kampagne. Regionen wie Chongqing, Chengdu oder Wuhan im Landesinneren werden beispielsweise fu?r deutsche Unternehmen immer interessanter, auch aufgrund der guten Verfu?gbarkeit von Personal. Die chinesische Regierung versucht mit verschiedenen Maßnahmen, beispielsweise
durch die „Seidenstraßen-Initiative“, West- und Zentralchina fu?r ausländische Investitionen attraktiver zu machen, unter anderem durch den Ausbau der Infrastruktur. Damit gewinnen diese Regionen fu?r deutsche Unternehmen als Investitionsstandort an Bedeutun

Welche Branchen sind dabei aus chinesischer Sicht besonders interessant?

Deutsche Unternehmen und Marken haben in China einen guten Ruf. Chinesische Investoren interessieren sich vor allem fu?r Hightech-Firmen. Besonderes Interesse besteht derzeit an Investitionen im Bereich der deutschen „Industrie 4.0″, die auf eine Verzahnung von industrieller Produktion mit modernster Informations- und Kommunikationstechnik zielt. Das ist auch das Anliegen der chinesischen Initiative „Made in China 2025″.

Was ist bei der Standortentscheidung grundsätzlich zu beachten?

Die Erreichbarkeit von Abnehmerindustrien sowie die regionale Verfu?gbarkeit von Zulieferern sind die wichtigsten Grundlage fu?r eine Standortentscheidung. Hohe Logistikkosten könnenschnell zum Preisnachteil werden. Neben der zuverlässigen Verfu?gbarkeit von Energie ist auch das Angebot an qualifiziertem Personal von großer Bedeutung. Verkehrsanbindung, Lebenshaltungskosten und Lebensqualität sind weitere wichtig Aspekte. Die Möglichkeit, regionale Förderungen und Steuervergu?nstigungen in Anspruch zu nehmen, sollte nur ein zweitrangiges Kriterium sein. Jede Firma sollte selbst pru?fen, ob die die Voraussetzungen fu?r Vergu?nstigungen erfullt. Wichtig smd die Bestimmungen des lnvestitionslenkungskatalogs der Regierung, mit dessen Hilfe eine Lenkung der ausländischen Investitionen in einzelne Regionen angestrebt wird. China arbeitet an einer Verlagerung vom bisherigen quantitativen industriellen Wachstum zum qualitativ hochwertigen, ressourcenschonenden Wachstum. Im Vergleich zum lnvestitionskatalog von 201 1 werden in der aktuellen Version die Einschrankungen von ausländischen Investitionen vere‘.nfacht und die Anzahl von eingeschränkten Industrien reduziert. Rechtliche Rahmenbedingungen, insbesondere deren Auslegung beziehungsweise Anwendungspraxis, können sich außerdem Jederzeit kurzfristig ändern. Allein aufgrund der sprachlichen Barriere gibt es in China oft Schwierigkeiten beim Zugriff auf grundlegende Informationen. Besonders Mittelsländler s1~d daher auf ein starkes Netzwerk angewiesen, um nicht den Uberblick zu verlieren.

Welche Bedeutung haben die neu entstehenden Freihandelszonen?

Nachdem in den vergangenen Jahren in Shanghai, Guangdong (mit Wirtschaftsfokus auf Hongkong), Fujian (Ausrichtung auf Taiwan) und Tianjin (fu?r besseren Handel mit Peking und Hebei) gegru?ndet wurden, bewilligte der Staatsrat Anfang dieses Jahres die Gru?ndung von sieben weiteren Pilot-Freihandelszonen: In Liaoning, Zhejiang, Henan, Hubei, Sichuan, Shaanxi und Chongqing. Innerhalb dieser Zonen können ausländische Investoren Unternehmensstandorte in bestimmten Branchen errichten, ohne den landesspezifischen Investitionsbeschränkungen fu?r die jeweilige Branche zu unterliegen (Anwendung der .Negativliste“). Derzeit gibt es zwar erst vier Freihandelszonen, aber die Bedeutung fu?r die chinesische Wirtschaft, um ausländische Investoren in neuen Branchen anzulocken, wird immer größer. Weiterere Freihandelszonen sind im Gespräch, um beispielsweise Chinas Wettbewerbsfähigkeit im Landesinneren zu erhöhen. In den kommenden Jahren sollen große City-Cluster entstehen.

Worum geht es?

Grundsätzlich geht es nicht um den Aufbau oder die Entwicklung neuer Mega-Städte, sondern darum, Synergien fu?r die regionale und arbeitsteilige Entwicklung zu schaffen. So sollen Peking und Tianjin mit der beide Metropolen umgebenden Provinz Hebei zu einer wirtschaftlichen Einheit verschmelzen: Jing-Jin-Ji ( J)Ut X) mit einer Gesamtbevölkerung von mehr als 100 Millionen Einwohnern. Ziel ist dabei, der Provinz Hebei
einen neuen Schub in der nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung zu verschaffen, während Peking auf die sogenannten Hauptstadtfunktionen reduziert werden soll. Im Rahmen der Entwicklung dieses City-Clusters wird in den kommenden Jahren su?dwestlich von Peking und Tianjin die „Neue Wirtschaftszone“ Xiongan entwickelt, die im selben Rang stehen wird wie die nach der Öffnung Chinas Ende der 1970er-Jahre entwickelte Sonderwirtschaftszone Shenzhen und das seit den 1990er-Jahren entwickelte Pudong in Shanghai. Xiongan soll zu einem Beispiel fu?r moderne, ökologische und smarte Stadtentwicklung werden.

Welche Bedeutung bekommen Städte der zweiten, dritten und vierten Reihe? Lohnt es sich, über Ansiedlungen nachzudenken?

Viele „Städte der zweiten Reihe“ verfu?gen wie die Metropolen Peking, Shanghai, Kanton und Shenzhen u?ber eine bereits gut ausgebaute Infrastruktur, internationale Flughäfen sowie interessante Investitions- und Geschäftsmöglichkeiten, häufig aluf noch  ni.e d rigerem Niveau. Dazu zählen unter an-
1erd1ngs ., Chengdu, Chongqing und Shenyang, die deren Wuhan, Xinch eine relativ fortgeschrittene Internationalisierungund eine steigende Anzahl ausländischer lnvestitionen auszeichnen. Sie profitieren von Konjunkturpaketen der Regierung und weisen schnelles Wachstum auf. Viele dieser Städte sind als Investitionsstandort gegenüber der Ku?ste attraktiv, da sie niedrigere Kosten bei Miete, Strom und Arbeitskräften zu verzeichnen haben. Häufig stn d.i e loka.le n Behörden mit dem Umgang m_it 1nternat1onalen Firmen Im Geschäftsalltag allerdings weniger vertraut, was zu Problemen fu?hren kann. . „ber Investitionen in weniger zentral gelegenen Regi Wenn u I d‘ B d‘ n China nachgedacht wird, sol ten 1e e Ingungen der onen 1· “ ft d All . . potenzIe 11 en Standorte genau gepru wer en. gem. ein 1st zu erwar t en, dass aufgrund der Bestrebungen der chin. esischen Reg.ie rung, den Wohlstand im L.a nd besser zu .v erteilen, auch hier mittelfristig mit einem Anstieg. des Lohnniveaus und der Lebenshaltungskosten zu rechnen ist. .. . . . Kurz, Wachstumspotenzial besteht, aber hauflg 1st die lnfrastruktur (unter anderem internationale Schul~n u_nd Krankenh „ ser) noch nicht so gut ausgebaut und dte wirtschaftliche ~ . k‘ Entwicklung noch nicht so ausgereift wie tn . Pe tng, Shanghai oder Kanton. Daher sind „Städte der zweiten, aber vor allem der dritten und vierten Reihe“ meist nicht fu?r den unmittelbaren Markteintritt zu empfehlen, sondern eignen sich eher als zweit- oder Drittstandort. Sie ru?cken hauptsächlich in den Blick der bereits in Peking oder Shanghai ansässigen Unternehmen, die weiter expandieren möchten.

Zunehmend entstehen „deutsch-chinesische" Industrieparks, der Deutsch-Chinesische Öko-Park in Qingdao zum Beispiel oder die Deutsch-Chinesische Eco Metal City in Jieyang. Welche Ziele werden mit diesen Parks verfolgt und sind sie fu?r die Ansiedlung deutscher Unternehmen interessant?

Die „deutsch-chinesischen“ Industrieparks sollen unter anderem deutschen mittelständischen Unternehmen den Einstieg in den chinesischen Markt eröffnen. Geplant ist ein innovatives System von Industrieparks, in denen Partei, Regierung und Firmen gemeinsam an der Realisierung der Verzahnung der industriellen Produktion mit modernster Informations- und Kommunikationstechnik arbeiten. Aber auch Modelle zur Energieeinsparung und zur Prävention von Umweltverschmutzung sind im Blick. Des Weiteren hat die chinesische Regierung im Dezember 2015 einen neuen deutsch-chinesischen Industriepark genehmigt, der in der Hauptstadt der Provinz Liaoning, Shenyang, errichtet werden soll. Der Industriepark soll die chinesische „Made in China 2025″-lnitiative mit der deutschen .Industrie 4.0″ zusammenfu?hren und entsprechend deutsche und chinesische Unternehmen anziehen. Dennoch gilt zu beru?cksichtigen, dass es viele unterschiedliche „deutsch-chinesische“ Industrieparks im Land gibt. Einige der Zonen pflegen eine engere Zusammenarbeit mit deutschen Institutionen. Manche scheinen das Wort „deutsch“ eher nur als „Markenzeichen“ im Namen zu trage