Fragen und Antworten

China ist ein Kontinent. Welche regionalen Unterschiede sind in der wirtschaftlichen Entwicklung zu beobachten?

Aufgrund seiner geografischen Größe ist China durch kulturelle Unterschiede und sozioökonomische Disparitäten geprägt. Chinas Osten ist dank der frühen außenwirtschaftlichen Öffnung und der dadurch entstandenen Infrastruktur deutlich weiter entwickelt als Zentral- und Westchina. Die Orientierung in Richtung der Küstenstädte nimmt nicht ab, trotzdem werden auch die Provinzhauptstädte und regionalen Zentren im Landesinneren zunehmend als Standorte und Absatzmärkte interessant. Mit der vor einigen Jahren gestarteten „Go-West“-Kampagne versucht die chinesische Regierung, durch lnfrastrukturausbau und Investitionsanreize die Entwicklung Westchinas zu beschleunigen. Ziele sind eine ausgeglichene soziale Entwicklung des Landes und eine Verbesserung des allgemeinen Lebensstandards.

Welche Schwerpunkte der regionalen Entwicklung werden im aktuellen Fünfjahresprogramm gesetzt?

Das 13. Fünfjahresprogramm für wirtschaftliche Entwicklung zielt auf eine Verbesserung der Infrastruktur in den westlichen Provinzen, auf die Modernisierung der Industriezonen im Nordosten und die Förderung des Wachstums in den Zentralprovinzen. Des Weiteren stehen drei große regionale Initiativen im Mittelpunkt: Eine wirtschaftliche Entwicklung, die Integration von Peking, Tianjin und der beide Metropolen umgebenden Provinz Hebei sowie der Ausbau des Wirtschaftsgurtels am Jangtse, der sich über elf Provinzen mit 40 Prozent der chinesischen Bevölkerung erstreckt.

Welche regionalen Alternativen zu den traditionellen „deutschen" Standorten bieten sich in den kommenden Jahren?

Die meisten deutschen Unternehmen haben sich im JangtSedelta rund um Shanghai, im Perlflussdelta in der Region Hongkong/Kanton und in der Bohai-Region um Peking~Tia~jin angesiedelt. Diese Regionen bleiben auch weiterhin. fur deutsche Investoren attraktive Standorte. Mit der Entwicklung der zentral- und westchinesischen Regionen als Absatzmarkt folgen deutsche Unternehmen jetzt zunehmend der „Go-West“-Kampagne. Regionen wie Chongqing, Chengdu oder Wuhan im Landesinneren werden beispielsweise für deutsche Unternehmen immer interessanter, auch aufgrund der guten Verfügbarkeit von Personal. Die chinesische Regierung versucht mit verschiedenen Maßnahmen, beispielsweise durch den Ausbau der Infrastruktur. Damit gewinnen diese Regionen für deutsche Unternehmen als Investitionsstandort an Bedeutung.

Welche Branchen sind dabei aus chinesischer Sicht besonders interessant?

Deutsche Unternehmen und Marken haben in China einen guten Ruf. Chinesische Kunden interessieren sich vor allem für Konsumprodukte „Made in Germany“ bzw. Produkte aus Europa. Auch Tourismus spielt eine wichtige Rolle. 

Was ist bei der Standortentscheidung grundsätzlich zu beachten?

Die Erreichbarkeit von Abnehmerindustrien sowie die regionale Verfügbarkeit von Zulieferern sind die wichtigsten Grundlage für eine Standortentscheidung. Hohe Logistikkosten können schnell zum Preisnachteil werden. Neben der zuverlässigen Verfügbarkeit von Energie ist auch das Angebot an qualifiziertem Personal von großer Bedeutung. Verkehrsanbindung, Lebenshaltungskosten und Lebensqualität sind weitere wichtig Aspekte. Die Möglichkeit, regionale Förderungen und Steuervergünstigungen in Anspruch zu nehmen, sollte nur ein zweitrangiges Kriterium sein. Jede Firma sollte selbst prüfen, ob die die Voraussetzungen für Vergünstigungen erfüllt. Wichtig sind die Bestimmungen des lnvestitionslenkungskatalogs der Regierung, mit dessen Hilfe eine Lenkung der ausländischen Investitionen in einzelne Regionen angestrebt wird. China arbeitet an einer Verlagerung vom bisherigen quantitativen industriellen Wachstum zum qualitativ hochwertigen, ressourcenschonenden Wachstum. Im Vergleich zum lnvestitionskatalog von 2011 werden in der aktuellen Version die Einschrankungen von ausländischen Investitionen vereinfacht und die Anzahl von eingeschränkten Industrien reduziert. Rechtliche Rahmenbedingungen, insbesondere deren Auslegung beziehungsweise Anwendungspraxis, können sich außerdem jederzeit kurzfristig ändern. Allein aufgrund der sprachlichen Barriere gibt es in China oft Schwierigkeiten beim Zugriff auf grundlegende Informationen. Besonders Mittelständler sind daher auf ein starkes Netzwerk angewiesen, um nicht den Überblick zu verlieren.

Welche Bedeutung haben die neu entstehenden Freihandelszonen?

Nachdem in den vergangenen Jahren in Shanghai, Guangdong (mit Wirtschaftsfokus auf Hongkong), Fujian (Ausrichtung auf Taiwan) und Tianjin (für besseren Handel mit Peking und Hebei) gegründet wurden, bewilligte der Staatsrat Anfang dieses Jahres die Gründung von sieben weiteren Pilot-Freihandelszonen: In Liaoning, Zhejiang, Henan, Hubei, Sichuan, Shaanxi und Chongqing. Innerhalb dieser Zonen können ausländische Investoren Unternehmensstandorte in bestimmten Branchen errichten, ohne den landesspezifischen Investitionsbeschränkungen für die jeweilige Branche zu unterliegen. Weitere Freihandelszonen sind im Gespräch, um beispielsweise Chinas Wettbewerbsfähigkeit im Landesinneren zu erhöhen. In den kommenden Jahren sollen große City-Cluster entstehen.

Worum geht es?

Grundsätzlich geht es nicht um den Aufbau oder die Entwicklung neuer Mega-Städte, sondern darum, Synergien für die regionale und arbeitsteilige Entwicklung zu schaffen. So sollen Peking und Tianjin mit der beide Metropolen umgebenden Provinz Hebei zu einer wirtschaftlichen Einheit verschmelzen: Jing-Jin-Ji ( J)Ut X) mit einer Gesamtbevölkerung von mehr als 100 Millionen Einwohnern. Ziel ist dabei, der Provinz Hebei
einen neuen Schub in der nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung zu verschaffen, während Peking auf die sogenannten Hauptstadtfunktionen reduziert werden soll. Im Rahmen der Entwicklung dieses City-Clusters wird in den kommenden Jahren südwestlich von Peking und Tianjin die „Neue Wirtschaftszone“ Xiongan entwickelt, die im selben Rang stehen wird wie die nach der Öffnung Chinas Ende der 1970er-Jahre entwickelte Sonderwirtschaftszone Shenzhen und das seit den 1990er-Jahren entwickelte Pudong in Shanghai. Xiongan soll zu einem Beispiel für moderne, ökologische und smarte Stadtentwicklung werden.

Welche Bedeutung bekommen Städte der zweiten, dritten und vierten Reihe? Lohnt es sich, über Ansiedlungen nachzudenken?

Viele „Städte der zweiten Reihe“ verfuügen wie die Metropolen Peking, Shanghai, Kanton und Shenzhen über eine bereits gut ausgebaute Infrastruktur, internationale Flughäfen sowie interessante Investitions- und Geschäftsmöglichkeiten, häufig aluf noch niedrigerem Niveau. Dazu zählen unter anderem Chengdu, Chongqing und Shenyang, die deren Wuhan, Xinch eine relativ fortgeschrittene Internationalisierung und eine steigende Anzahl ausländischer lnvestitionen auszeichnen. Sie profitieren von Konjunkturpaketen der Regierung und weisen schnelles Wachstum auf. Viele dieser Städte sind als Investitionsstandort gegenüber der Küste attraktiv, da sie niedrigere Kosten bei Miete, Strom und Arbeitskräften zu verzeichnen haben. Häufig sind die lokalen Behörden mit dem Umgang mit internationalen Firmen Im Geschäftsalltag allerdings weniger vertraut, was zu Problemen führen kann. Bei Investitionen in weniger zentral gelegene Regionen in China sollte man die Potenziale der Standorte genau prüfen. Es ist zu erwarten, dass aufgrund der Bestrebungen der chinesischen Regierung, den Wohlstand im Land besser zu verteilen, auch hier mittelfristig mit einem Anstieg des Lohnniveaus und der Lebenshaltungskosten zu rechnen ist. Kurz gesagt, es besteht Wachstumspotenzial, aber oft ist die Infrastruktur (einschließlich internationaler Schulen und Krankenhäuser) noch nicht so gut ausgebaut und die wirtschaftliche Entwicklung noch nicht so ausgereift wie in Peking, Shanghai oder Kanton. Daher sind Städte der zweiten, aber vor allem der dritten und vierten Reihe meist für den unmittelbaren Markteintritt mit einem erfahrenen Partner zu empfehlen. 

Zunehmend entstehen „deutsch-chinesische" Industrieparks, der Deutsch-Chinesische Öko-Park in Qingdao zum Beispiel oder die Deutsch-Chinesische Eco Metal City in Jieyang. Welche Ziele werden mit diesen Parks verfolgt und sind sie für die Ansiedlung deutscher Unternehmen interessant?

Die „deutsch-chinesischen“ Industrieparks sollen unter anderem deutschen mittelständischen Unternehmen den Einstieg in den chinesischen Markt eröffnen. Geplant ist ein innovatives System von Industrieparks, in denen Partei, Regierung und Firmen gemeinsam an der Realisierung der Verzahnung der industriellen Produktion mit modernster Informations- und Kommunikationstechnik arbeiten. Aber auch Modelle zur Energieeinsparung und zur Prävention von Umweltverschmutzung sind im Blick.